MUTHESIUS UNIVERSITY OF FINE ARTS /
M.A. SPATIAL STRATEGIES Sose24,
masterthesis cared by PROF.IN FRAUKE GERSTENBERG (raumlabor berlin) und Prof. in Dr. Sandra Schramke
In der Ausstellung und in der Arbeit die den Titel “coexistence” trägt, wird die textile Gestaltungsmethode, Weben als feministische Raumpraxis, in der Gegenüberstellung historischer und zeitgenössischer Beispiele thematisiert. Dabei bezogen auf Werke der Bauhaus-Textilgestalterinnen Anni Albers und Otti Berger, speziell auf Textilien für Raum, “Neues” Bauen und Möbel.
In Zusammenarbeit mit ihren allseits bekannten männlichen Kollegen und Architekten aus Bauhauszeiten wie Marcel Breuer, Hans Scharoun, Walter Gropius und Mies van der Rohe waren Berger sowie Albers am Material der Stoffe und deren Verbindungsmöglichkeiten interessiert, die sich im ästhetischen Sinne durch besondere Bedingungen und die Beziehung des Nutzens auszeichnen. Hier liegt das Interesse nicht nur darin, wie sie Textilarbeiten im Bereich des modernen Bauens und Wohnens oder dreidimensionale Topologien von Material, etwa für Bugholz- oder auch Stahlrohrmöbel, hervorbrachten. Ebenso soll damit eine kritische Diskussion der (Un)Sichtbarkeit von weiblichen Gestalterinnen anregen und die Aufmerksamkeit auf die Funktion von Verbindungen, ob statische, emotionale oder berufliche, lenken.
Denn was wäre ein Freischwinger ohne textile(n) Verbindungsraum/fläche??
Im Sinne einer koexistierenden Geschlechterbeziehung in der Kreativindustrie steht das Weben als Metapher für die wechselseitige Interaktion zwischen den Geschlechtern. In meiner schriftlichen Auseinandersetzung habe ich Arten feministischer Räume und Praktiken untersucht die in den Arbeiten von Anni Albers und Otti Berger vorkommen, und dabei die Bedeutung der Geschlechterbeziehungen zur Materialforschung herausarbeiten. Z.b. beschreibt Otti Berger in ihrem Zitat die Eigenschaften von Textilien, welche heute eventuell auch anders interpretiert werden könnten.
Anni Albers beschreibt am Anfang ihrer Karriere „Weben“ als weichlich und möchte eigentlich Malerin werden. Finden sich aber nicht ganz unfreiwillig in einer anerkannten Klasse für weibliche Studierende wieder. Eben die Weberei, da Frauen am Bauhaus generell nicht ermutigt wurden sich in Metallarbeiten oder Druck einzuschreiben. Berichtet wird, dass Gründungsdirektor Walter Gropius, das Bauhaus offiziell auf dem Prinzip der Gleichheit aufbaut und betont hatte, es gäbe
„keine Differenzen zwischen dem schönen und dem starken Geschlecht“….. Soso aaha, okaaaay!?
Ziel meiner Untersuchung war es nicht nur, meinen gestalterischen und gesellschaftskritischen Blick auf architektonische und kreative Berufe zu erweitern und das traditionell patriarchal geprägte Bild des Architekten zu hinterfragen, sondern auch, zum Nachdenken über klassische Rollenbilder und die Vernachlässigung von Frauen in der frühen Architekturgeschichte anzuregen. Meine Analyse reicht von Gottfried Sempers Betrachtungen zum Textilen im Raum über spezifische Textilarbeiten bis hin zu zeitgenössischen Beispielen des Kollektivs fem-arc und MatriArchi(tecture). Dabei wollte ich Verbindungen zwischen diesen Aspekten aufzeigen und neue Einsichten in die Rolle der Frauen in der Architektur gewinnen, einem nach wie vor männerdominierten Berufsfeld. Außerdem wollte ich den Einfluss dieser Rolle auf Handwerk und textile Gestaltung analysieren, insbesondere in Bezug auf geschlechtsspezifische Perspektiven und historische Entwicklungen.
Photocredits Emma Kortstegge + Kooperation mit Johanna Berg in ihrer Bachelorarbeit blaue Stube in Kiel am mfg5
Die mfg5-Fläche in Kiel, ein ehemaliges Militärgelände, bietet derzeit die beste Gelegenheit, dort Gemeinschaft zu fördern. Durch Johanna Baums Bachelorarbeit „Die blaue Stube“ wird der Platz zu einem Erlebnisfeld und öffentlichen Wohnzimmers. Ich hatte mehrfach die Möglichkeit, mich mit experimentellen Web-Workshops zu beteiligen. Mit der Unterstützung der Kids aus dem Jugendtreff vor Ort, Flanierenden, sowie liebe Freundinnen Zoe Strauss und Liv Siri Janshen haben wir großartige Ergebnisse erzielt. Wie im Beispielen des Kollektivs fem-arc versuch ich hier das Handwerk des Webens über seine handwerklichen Aspekte hinaus als eine soziale und gemeinschaftliche Praxis zu betrachten. Es verbindet Menschen, schafft ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und ermöglicht den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Geschichten. In einer Gemeinschaft, die sich dem Weben widmet, entsteht ein kollektiver Raum, in dem kreative Ideen miteinander verwoben werden, um sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Ziele zu erreichen. Dies stärkt nicht nur die sozialen Bindungen, sondern fördert auch die kulturelle Vielfalt und den Erhalt traditioneller Techniken.
In der Ausstellung wurden Stahlrohrmöbel als Designklassiker präsentiert, die durch die farbintensive Hervorhebung der textilen Verbindungsfläche eine Transformation erfuhren und somit zugleich als Analogien herangezogen wurden, welche die Rolle weiblicher Textilgestalterinnen thematisieren. Mithilfe von QR-Codes und audiovisuellen Darstellungen konnten die Besucher*innen die Ausstellung auf auditiver Ebene erleben. Auszüge aus der Thesis wurden vorgelesen, und ein Zitat von Otti Berger wurde hörbar gemacht. Eine Webwand wurde aufgestellt, die den Bezug zum MFG5-Workshop ‚Experimentelles Weben‘ herstellte und zusätzlich interaktive Elemente bot.
Die im Prozess entstandenen Webobjekte, die industrielle, bauästhetische Materialien wie Kautschuk, Maurerschnur, Stahl und Beton einbeziehen, wurden in der Einzelausstellung „coexistence“ präsentiert. Diese Objekte thematisieren die Sichtbarmachung eines gleichwertigen Zusammenwirkens sowie die wechselseitige Abhängigkeit und Unterstützung von Materialien, Gestalter*innen und ihre Gewerke. Diese Objekte wurden durch Soundinstallationen der Klanggestalterin Roma Neben ergänzt. Die Soundteppiche, inspiriert von den Bewegungen des physischen Webakts und den Strukturen im Textil, schufen eine räumliche Inszenierung. Die Klangstücke selbst beschrieben den Prozess der Sichtbarmachung textiler Gestaltung und ihrer Designerinnen, indem sie Eigenschaften von sanft und weich bis hin zu aktiv, laut und progressiv aufgriffen.